„Nicht auf der Rückbank der Bauindustrie“
Eine Kooperationsveranstaltung beschäftigte sich mit dem modularen und seriellen Bauen
Text: Kim Ahrend
Das modulare und serielle Bauen gewinnt angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum immer mehr Beachtung und wird vom Bundesbauministerium sogar gefördert. In einer hybriden Vortragsveranstaltung mit 70 Gästen in der Architektenkammer des Saarlandes und über 130 Online-Teilnehmenden wurden dessen Vor- und Nachteile aus fachlicher Sicht beleuchtet. Denn – nicht nur darin waren sich die Referenten einig – auch das serielle Bauen geht nicht ohne Architektinnen und Architekten.
Einigkeit bestand auch darüber, dass diese Bauweisen nicht unbedingt günstiger sind und auch nicht schneller gehen als konventionelle. Die Planungsphase ist sehr intensiv und komplex. „Die gefertigten Teile oder Module werden auf die Baustelle geliefert und dort zusammengesetzt. Dann muss auch alles passen, Nachbesserungen sind schwierig“, führte Alexander Schwehm, Präsident der Architektenkammer des Saarlandes in seinem Grußwort aus. Das Team zwischen Planenden und Ausführenden wie zum Beispiel den Modulbauern muss viel früher zusammenarbeiten als im konventionellen Bauprozess. Helfen können perspektivisch KI-unterstützte digitale Planungstools.
In seiner Keynote zeigte der Architekt und Präsident der Architektenkammer der freien Hansestadt Bremen Oliver Platz anhand von eigenen Praxisbeispielen aus dem Geschosswohnungsbau, dass im Städtebau beides gleichzeitig bedacht werden sollte: Häuser in Serie und Unikate. Grundrisse und Fenstertypen ließen sich beim seriellen Bauen reduzieren, die Fassaden müssten nicht alle gleich aussehen. Es gebe unzählige Variationsmöglichkeiten. Das sieht der spätere Referent und Wohnungsbau-Architekt aus Frankfurt am Main Stefan Forster genauso. Enorm wichtig ist die Wahl der Materialien. Das oft genutzte Wärmedämmverbundsystem sei nicht langlebig und ließe Gebäude vorschnell altern. Eine vorgesetzte Klinkerfassade beispielsweise sei wartungsarm und dadurch nachhaltig. Beide Architekten möchten nicht, dass beim seriellen Bauen soziale Aspekte zu kurz kommen. Denn es gehe gerade beim Geschosswohnungsbau um gebaute Lebensqualität.
Anhand der Bauaufgabe einer vorgefertigten Autobahn-WC-Anlage zeigte Oliver Platz einige Vorteile des modularen Bauens. Zum einen werden die Module in geschützter Umgebung gebaut, zum anderen reagieren sie durch etliche Kombinationsmöglichkeiten auf unterschiedliche Anlagegrößen. „Durch die Chance der Wiederholung können wir dazulernen und Fehler beim nächsten Projekt vermeiden“, unterstrich der Architekt. Im Vergleich: Bei Unikaten muss alles direkt perfekt sein. Oft würde das serielle Bauen leider durch die gültigen Vergaberegeln ausgebremst. So müsse oft in Einzelgewerken ausgeschrieben werden, was beim konventionellen Bauen wünschenswert ist, aber mit dem seriellen Charakter im Widerspruch steht. „Da brauchen wir einen Bürokratieabbau“, appellierte der Bremer Kammerpräsident.
Die Rahmenbedingungen des seriellen Bauens stellte Sandra Koch-Wagner vor. Sie ist Leiterin der Obersten Landesbaubehörde im saarländischen Ministerium für Inneres, Bauen und Sport. Sie bescheinigte eine aktuell „geringere Produktivität in der Bauwirtschaft“, die sich durch die „Stellschraube der Vorfertigung von Bauteilen“ zum Teil erhöhen ließe. Gründe wie die „mangelnde Koordination im Planungs- und Bauprozess“ oder die „witterungsabhängige Produktion“ auf der Baustelle entfallen größtenteils beim seriellen Bauen. In die Novelle der Landesbauordnung, die voraussichtlich im April veröffentlicht wird, wurde zudem die Typengenehmigung aufgenommen, die die Genehmigung gleichartiger Bauteile und Gebäude erleichtert. Demnach werden unter anderem auch Bauten, die in anderen Bundesländern als Typen genehmigt wurden, im Saarland anerkannt.
Der Wohnungsbauer Stefan Forster stellte zahlreiche Projekte seines Schaffens vor. Dabei beließ er es aber nicht bei einem Werkvortrag, sondern sprach sehr offen über Schwierigkeiten aktueller Bauprozesse, darüber, wie serielles Bauen helfen kann, aber auch, wo dessen Grenzen sind. Er bedauerte, dass oft nicht die Qualität von Gebäuden eine Rolle spiele, sondern nur wie viel und wie günstig gebaut wird. Das sei der bittere Alltag. Doch: „Serielles Bauen kann auch individuelles Bauen sein und darf sich vom konventionellen Bauen von außen nicht unterscheiden“, so Forster. Der Vorteil der Wiederholung liege per se in den Wohnungsgrundrissen und in den Bädern. Durch vorgefertigte Modul-Bäder ließe sich beispielsweise deren Mängelanfälligkeit reduzieren. Er rief allen anwesenden Planenden ins Gewissen, systemunabhängig zu bleiben und nicht, wie es Oliver Platz zuvor sinnbildlich verdeutlichte, „auf der Rückbank der Bauindustrie zu sitzen“. Denn nur dann könne Baukultur entstehen.
Moderator Ralph Schmidt, Geschäftsführer der Arge Solar jonglierte gekonnt zwischen den Präsenz- und Online-Teilnehmenden, sodass alle Fragen des Nachmittags beantwortet wurden. Nun „lassen Sie uns schauen, was wirklich geht“, wie Oliver Platz den Teilnehmenden mit auf den Weg gab.
Veranstalter waren die Architektenkammer des Saarlandes, die Landeskampagne „Energieberatung Saar“ des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie und das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport in Kooperation mit der IHK Saarland.
Downloads
- Vortrag Oliver Platz (reduzierte Online-Version)
- Vortrag Sandra Koch-Wagner
- Vortrag Stefan Forster (reduzierte Online-Version)
- Programmflyer