Wärmenetze können Geld fürs Dorf verdienen
Wie sollen Kommunen im ländlichen Raum die Energiewende schaffen? Peter Heck, ein Professor für Umweltwirtschaft, warb für mehr Mut beim Aufbau eigener Nahwärmenetze in den Dörfern – und für das Heizen mit Biomasse.Leuchtturmprojekte gibt es anders als im Saarland bundesweit schon einige.
Klimaschutz bedeutet Wertschöpfung“, sagt Peter Heck. Auf Einladung der Stiftung Baukultur war der Professor für Stoffstrommanagement an der Hochschule Trier/ Umwelt-
Campus Birkenfeld in der Vortragsreihe „Zei-
tenwende“ zu Gast in Bliesransbach, wo er im Gasthaus Kessler am Mittwoch einen erhellenden Vortrag über „Nachhaltige Energieversorgung im ländlichen Raum“ hielt. Zuvor gab es eine Besichtigung des neuen Solarparks am Hartungshof, mit dem die Gemeinde Kleinblittersdorf ihren gesamten Strombedarf deckt.
Heck betonte das erstaunliche Wertschöpfungspotenzial, das ein klimaneutraler Umbau der energetischen Infrastruktur gerade für kleine, ländliche Gemeinden hat. In den Dörfern nämlich heizt man immer noch vor allem mit Öl, gerade im Saarland. Es fehlt an Gasnetzen, Stromnetze sind teils nicht ausreichend belastbar. Auch deshalb sind Holzpellet- oder Hackschnitzel-Heizsysteme und Öfen beliebt. Dem Bundesumweltministerium ist das ein Dorn im Auge. Das Argument der Kritiker des Heizens mit Holz-Biomasse: Es gibt nicht genug erneuerbare Quellen, Holz müsse importiert werden und zerstöre so Wälder und Biodiversität.
Peter Heck widerspricht und macht eine andere Rechnung auf. „Es gibt auf dem Dorf meist große Menge an Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft“, sagt der Experte. Und die müsse man – in Kombination mit erneuerbarer Energie aus Wind, Sonne, Wasser, Abwasser, oder Geothermie für dezentrale, kleine Nahwärmenetze nutzen. Damit stellt sich Heck gegen Robert Habecks Vorhaben, vor allem auf Wärmepumpen zu setzen und Heizen mit Holz oder anderer Biomasse weniger zu fördern. Das sei unökonomisch und verschwende das Potenzial von vorhandener beziehungsweise ökologisch erzeugter Biomasse auf dem Land, argumentiert Heck und belegt das anhand von Daten und Zahlen. Denn dort fällt zum Beispiel viel Grünschnitt an. „Statt ihn als Brennmaterial zu nutzen, exportiert das Saarland seinen Grünschnitt nach Rheinland-Pfalz und verschenkt damit Geld.“
„Berlin macht bei der Energiewende eine städtische Politik“, kritisiert Heck. Dabei setze auch der Wirtschaftsminister darauf, dass bis 2045 ein Drittel der benötigten Energie in kommunalen Nahwärmenetzen erzeugt wird. Und so biete die Energiewende vor allem auf dem Land enorme Chancen, machte Peter Heck dem Publikum, darunter Kleinblittersdorfs Bürgermeister Rainer Lang und die Bürgermeisterin von Mandelbachtal, Maria Vermeulen, Mut. Diese Entscheider nämlich seien es, die Bürger dazu ermutigen könnten, ihre Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen. „Das machen schon sehr viele Gemein-den und sie verdienen richtig Geld damit“, berichtet Heck. „Es braucht aber Macher, die die Projekte in die Hand nehmen.“ Wer sich an ein kommunales Nahwärmenetz traut, könne derzeit mit einer Bundesförderung von bis zu 45 % rechnen.
Aber warum trauen sich so wenige? Im Saarland gehen nur der Ottweiler Stadtteil Fürth und das benachbarte Dörrenbach voran. „Die Kommunen sind nicht vorbereitet, sie wissen nicht, wie sie investieren können“, weiß Heck. Und dann erläutert er, wie es gehen kann. Anhand vieler guter Beispiele, darunter einige aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis, der auf dem Weg ist, zum klimaneutralen Landkreis zu werden, und schon heute mit seinen Nahwärmenetzen rund 40 Millionen Euro generiere, die in die Daseinsvorsorge investiert werden.
Immer geht es bei der Energiewende um „Mehrnutzungskonzepte“ und um das Zusammendenken von Klimaschutz und Biodiversität. So wird Energie für ein Quartier beispielsweise aus der kombinierten Nutzung von lokal produzierter Biomasse, Wind, Photovoltaik oder Abwärme einer nahen Fabrik erzeugt. Und zwar in einem kleinen Heizkraftwerk, an das die Haushalte angeschlossen sind, die jeweils auch noch selbst Strom auf ihren Dächern produzieren. Selbst aus Abwasser lässt sich Energie gewinnen. Und warum nutzt man nicht alte Kohlestollen, die es im Saarland überall gibt, um geothermische Energie zu gewinnen? Die teuren Löcher seien doch bereits gebohrt.
„Jedes Haus ist zudem ein potenzielles Kraftwerk!“ Es sei absurd, dass Eigentümer dieses Potenzial nicht heben und in Photovoltaik-Anlagen investieren. „Denn was auf den Dächern nicht installiert ist, muss auf die Freifläche, wenn wir die Klimaneutralität bis 2045 schaffen wollen“, warnt der Professor. Und das bedeutet: Flächenverbrauch und weniger Artenvielfalt.
Peter Heck ist auch Direktor des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS). Es berät Kommunen bei der Errichtung von Nahwärmenetzen und arbeitet auch immer wieder mit saarländischen Akteuren, zum Beispiel im Biosphärenreservat Bliesgau, zusammen. In Bliesransbach erläuterte er, wie wichtig es ist, Ressourcen endlich so zu nutzen, dass nicht nur die Klimaschutzziele erreicht werden, sondern auch die Artenvielfalt erhalten bleibt. Dass es dazu des Managements und der intelligenten Bewirtschaftung von Agrar- und Waldflächen bedürfe – Baumernte und Heckenschnitt inklusive – sei vielen „städtischen Bildungsbürgern, die nur ab und zu auf dem Land spazieren gehen“ schwer vermittelbar, wettert der Experte.
Sogenannte Agroforstsysteme, zum Beispiel Pappel-Kulturen oder auch Feldhecken, hätten großes Potenzial nicht nur als Biomasse-Produzenten, sondern auch um Wasser zurückzuhalten, den Nährstoffgehalt im Boden zu verbessern oder zu Biotopen zu werden. Heck belegt das alles, er hat dazu geforscht. Und er ist ein scharfer Rechner. „Es geht nur übers Geld.“p
Text: Esther Brenner, Saarbrücker Zeitung