„Wir fordern einen hohen Vorfertigungsgrad“
Wohnungsbau-Architekt Stefan Forster ist Referent der Veranstaltung „Modulares und serielles Bauen“ am 13.03.
Text und Interview: Kim Ahrend
Das modulare und serielle Bauen gewinnt angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum immer mehr Beachtung und wird vom Bundesbauministerium gefördert. Auch die saarländische Landesbauordnung führt in ihrer jüngsten Novelle die sogenannte Typengenehmigung ein. Doch ist das vorgefertigte Bauen immer schneller, kostengünstiger, ressourcenschonender und energieeffizienter? Und was bedeutet es für den Planungs- und Bauprozess und die Zusammenarbeit aller Beteiligten? In einer Vortragsveranstaltung möchten wir die Vor- und Nachteile des modularen und seriellen Bauens aus fachlicher Sicht beleuchten. Denn auch das serielle Bauen geht nicht ohne Architektinnen und Architekten.
Veranstalter sind die Architektenkammer des Saarlandes, die Landeskampagne „Energieberatung Saar“ des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie und das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport in Kooperation mit der IHK Saarland.
In seiner Keynote beantwortet Oliver Platz, Präsident der Architektenkammer der freien Hansestadt Bremen die Frage, was das modulare und serielle Bauen ausmacht. Anschließend erläutert Sandra Koch-Wagner, Leiterin der Obersten Landesbaubehörde im Bauministerium, wie die Landesregierung das vorgefertigte Bauen fördert und warum.
Zum Abschluss zeigt der erfahrene Wohnungsbau-Architekt Stefan Forster Praxisbeispiele. Er hat bereits in den 90ern leerstehende Plattenbauten in Ostdeutschland zu hochwertigen Stadtvillen in Reihe umgebaut. Heute liegt der Schwerpunkt seiner Projektarbeit eher auf bezahlbarem Wohnungsbau. Wir haben ihn vorab gefragt, warum er das modulare und serielle Bauen favorisiert und welches Potenzial er sieht.
Lieber Herr Forster, wie haben Sie das modulare und serielle Bauen für sich entdeckt?
Stefan Forster: Es gab verschiedene Arten der Entdeckung. Zum einen ist ein Beton-Modulbauer auf uns zugekommen und hat uns gefragt, ob wir mit ihm zusammenarbeiten möchten. Wir haben uns mit dessen Modulen sehr intensiv beschäftigt und sozusagen eine interne Forschungsarbeit gemacht. Auf die von uns entwickelten bestehenden Grundrisstypologien haben wir die Module gelegt und geschaut, ob es Einbußen und Einschränkungen gibt. Dabei stellten wir fest, dass unsere Grundrisse auch mit den Modulmaßen gut funktionieren. Die Modulgrößen sind fix. Das ist der größte Unterschied zum Beispiel zum Holz-Modulbau.
Auch bei Planungswettbewerben entwerfen wir mittlerweile mit den Modulgrößen. Im Ergebnis kann der Bauherr entscheiden, ob er später konventionell oder in Modulbauweise ausschreibt oder sich GU-Angebote für beide Bauweisen einholt. Damit gibt es eine größere Offenheit für die Preisfindung, denn schlussendlich zählt immer der Preis.
Sie zeigen mit Ihren Projekten immer wieder, dass sich das serielle Bauen nicht nur für Neubauten, sondern auch – oder gerade – für das Bauen im Bestand eignet. Wie nachhaltig ist die Bauweise und was sind Ihrer Meinung nach große Vorteile?
Stefan Forster: Ich möchte es am Beispiel der Platensiedlung erklären. Sie ist ein großes Nachverdichtungsprojekt hier in Frankfurt. Auf die 19 Zeilen der bestehenden 3-geschossigen Wohngebäude sollten jeweils 2 Geschosse aufgestockt werden. Um aus statischen Gründen Last zu sparen, kam die Idee des Holz-Modulbaus auf. Ein großes Thema ist der Zeitfaktor. Die Gebäude waren innerhalb eines Jahres aufgestockt und bewohnbar und das relativ unbelastet für die Umwelt. Es gibt keine große Baustelleneinrichtung und wenig Abfall. Der Tieflader kommt, nimmt die „Kiste“ und setzt sie obendrauf, dann kommt der nächste und so weiter. Das ist im Verhältnis zu einer klassischen Baustelle eher „geräuschlos“. Die Module hatten einen hohen Vorfertigungsgrad: Die Fenster waren bereits montiert, die Bäder schon installiert. Dadurch waren die Wohnungen schnell bezugsfertig und entsprechend schnell vermietbar. Außerdem mussten die Bestandswohnungen nicht leergezogen werden.
Um eine Baustelle so „geräuschlos“ wie möglich hinzubekommen, fordern wir einen möglichst hohen Vorfertigungsgrad. Die Module kommen fertig auf die Baustelle und müssen nur noch zusammengebaut werden. Woraus das Modul besteht, ob aus Holz, Beton oder Stahl, ist dann eigentlich egal. Eine konventionelle Baustelle mit ihren Konflikten und Fehlerquellen der unzähligen Gewerke ist unserer Meinung nach nicht mehr zeitgemäß. Der Modulbau ist für uns ein großer Sprung in der Entwicklung des Bauens, vergleichbar mit dem damaligen Umstieg auf CAD.
Im Saarland ist die Struktur der Planungsbüros und auch der Bauaufgaben eher kleinteilig. Sehen Sie hier dennoch Potenzial für modulare und serielle Bauweisen?
Stefan Forster: Das denke ich auf jeden Fall. In der Baulücke macht es vielleicht nicht so viel Sinn. Aber wir haben ja weitere Möglichkeiten wie mit Großtafelbauweise, mit vorgefertigten Wandelementen, mit hybriden Gebäuden. Wie gesagt geht es immer darum, dass der Vorfertigungsgrad höher ist. Und damit ist die Baustelle schneller abzuwickeln. Die Größe ist dann im Grunde kein Problem. Der Holzbau wäre flexibler und anpassungsfähiger auf spezielle Situationen. Es hat im Saarland gewisse Vorteile, wenn Sie kleinteiliger unterwegs sind. Sie laufen nicht Gefahr, die Themen aus den 70er-Jahren wie Großsiedlungen und Problembezirke zu wiederholen. Diese Fehler werden gerade oft wieder gemacht. Ich bin ein großer Freund von kleinteiligen Siedlungsstrukturen, die mit dem Bestand und mit dem Ort zu tun haben, die den Ort weiterbauen. Das könnte auch im Saarland passen: Es gibt einen Ortskern und dieser wird mit den gleichen Strukturen erweitert.
Eine Befürchtung ist ja, dass die Baukultur unter der vorgefertigten Bauweise leidet. Wie sehen Sie das: Müssen Sie Abstriche im Entwurf und Ihrer Planung hinnehmen?
Stefan Forster: Beim Modulbau steht immer die Frage im Raum, ist das noch Architektur? Oder sind das „blöde Kisten“? Es ist ganz simpel ein Thema des Geldes. Insbesondere beim Wohnungsbau zählt meiner Meinung nach nur noch die Anzahl der Wohnungen und nicht die Qualität oder wie die Gebäude im Stadtraum stehen. Das ist die Crux. Modulbau heißt nicht Plattenbau-Ästhetik, sondern die Plattenbau-Ästhetik ist lediglich auf die Fixierung der Baukosten zurückzuführen.
Es gibt bundesweit sehr viele große Modulbauer oder auch Systemhersteller. Deswegen müssen wir Architektinnen und Architekten aufpassen, dass wir nicht die Führungsrolle verlieren. Wir müssen beweisen, dass man uns braucht und unseren Anspruch hoch halten.
Unser Büro hat gewisse Basics, die wir unbedingt einhalten. Sei es das Ausformulieren eines Sockels, sei es wie der Eingang aussieht – nämlich kein angeschraubtes Vordach – oder wie die Regenentwässerung geplant ist. Wir entwickeln immer sehr anspruchsvolle Fassaden, oft aus Vollklinker. Man sieht den Häusern nicht an, dass sie bereits 20 Jahre oder länger stehen. Das ist unsere Formel für Nachhaltigkeit. Diese Ansprüche setze ich auch beim Modulbau an.
Ihr Büroschwerpunkt liegt auf Wohnsiedlungen. Jetzt kommt ein „Wünsch-dir-was“. Welche Bauaufgabe in vorgefertigter Bauweise hätten Sie gerne in Ihrem Portfolio?
Stefan Forster: Als Wohnungsbauer schaue ich etwas neidisch auf alle Kolleginnen und Kollegen, die öffentliche Gebäude bauen wie Schulen. Dort gibt es keine Krise. Öffentliche Gebäude werden in einem sehr hohen Standard gebaut. Oder blicken wir auf den Museumsbau und dessen Baukosten. Beim Wohnungsbau heißt es oft so billig wie möglich. Das ist frustrierend. Aber auch wenn wir nicht Herr des Verfahrens sind, versuchen wir wie gesagt, unseren Anspruch hoch zu halten.
Vielen Dank. Wir freuen uns sehr auf Ihren Vortrag am 13. März!
Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier. Eine Anmeldung ist bis zum 10.03. möglich.